Buchpräsentation "Gegen den Strom - Aber wie?"

Am 17.4.2024 präsentierte das Franz und Franziska Jägerstätter Institut (FFJI) in der Bibliothek der KU-Linz das Buch „Gegen den Strom – Aber wie? Grundlagen und Modelle einer Jägerstätter-Pädagogik“. Die Publikation erschien als zweiter Band in der Schriftenreihe „Jägerstätter Studien“ im Studienverlag.

Rektor Univ.-Prof. Christoph Niemand eröffnete die Veranstaltung und betonte in seiner Begrüßung die Rolle des Jägerstätter-Instituts an der KU Linz als besonderer Forschungseinrichtung. Der neue Band zeige, dass das Institut neben der historischen Forschung auch einen wichtigen Beitrag für die pädagogische Auseinandersetzung mit historischen Themen wie Jägerstätter leiste. HS-Prof. PD Dr. Johannes Reitinger, Rektor der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz (PHDL), schloss in seinen Grußworten direkt daran an, indem er die Kooperation zwischen den beiden Institutionen hervorhob, die in der Vergangenheit sowie bei diesem Projekt besonders zum Ausdruck kam.

Das Buch wurde in Form eines abwechslungsreichen Autor*innen-Gesprächs vorgestellt, das Mag.Anna Bachofner-Mayr vom Institut für Katechetik, Religionspädagogik und Pädagogik (KU-Linz) moderierte. „Gegen den Strom – Aber wie?“ entstand aus einem Drittmittelprojekt, das das FFJI mit Fördermitteln des Zukunftsfonds der Republik Österreich und des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus 2021/22 initiiert hatte. Das KU-Institut um Dr. Andreas Schmoller und Dr.in Verena Lorber konnte für dieses Dr.in Maria Ecker-Angerer (langjährige Mitarbeiterin von Erinnern.at, Historikerin und Psychotherapeutin) und Prof. Dr. Thomas Schlager-Weidinger (PHDL) als Projektpartner*innen gewinnen. Ziel des Projektes war es, daspädagogische Potenzial sowie die Stolpersteine in der Auseinandersetzung mit Franz und Franziska Jägerstätter theoretisch festzuhalten und gleichzeitig ganz konkrete didaktische Anleitungen und Umsetzungen auszuarbeiten. Verena Lorber führte zudem aus, dass die Idee zu einer Jägerstätter-Pädagogik an die Herausgabe der digitalen Jägerstätter Edition gekoppelt war. Die vielfältigen Formen des Zugangs und der Nutzung der Originalschriften in digitaler Form erweitern die Möglichkeiten in der Vermittlung von historischem Wissen und dem Umgang mit historischen Quellen.

 

Aufbau: Konzepte – Diskurse – Umsetzungen

Die neue Studie richtet sich nicht nur an die schulpädagogische Vermittlung, sondern berücksichtigt auch die außerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung im kirchlichen und nicht-konfessionellen Bereich.

Der erste Teil „Konzepte“ präsentiert thesenhaft das pädagogische Gesamtkonzept für die Auseinandersetzung mit Franz und Franziska Jägerstätter in den Bereichen „Lernen mit Biografien“, „Historisches Lernen: Das Schreiben und (quellenkritische) Lesen von Briefen“, „Ethische Fragen: Nonkonformismus, Widerstand und Gewissen“, „Religiöse Bildung: Jägerstätter und das Christentum“ und „Pädagogik des Erinnerns und Gedenkens“. Nach ihren persönlich wichtigsten Leitsätzen im Konzept befragt, erklärte z.B. Maria Ecker-Angerer, dass es beim biografischen Lernen darum geht, einem Menschen insgesamt gerecht zu werden. Das inkludiert auch, neben dem Vorbildhaften, Schattenseiten und Widersprüche kennenzulernen. Dies fällt bei zu „Ikonen“ gewordenen Berühmtheiten des Widerstands gegen den Nationalsozialismus nicht immer leicht, und dadurch entsteht die Gefahr, dass die Personen idealisiert und überhöht werden.   

Der zweite Teil „Diskurse“ vertieft in vier Fachbeiträgen die theoretischen und konzeptionellen Schwerpunkte der Jägerstätter-Pädagogik. Jeder Artikel blickt dabei aus einer anderen wissenschaftlichen Disziplin auf Teilaspekte des Konzeptes: Existenzanalytisch wird die frühe Lebensphase von Franz Jägerstätters betrachtet (Beitrag von Maria Ecker-Angerer). Aus der Warte der Geschlechtergeschichte werden Franz und Franziska Jägerstätter in ihren Geschlechterrollen und -identitäten am bäuerlichen Hof beleuchtet sowie diese in Bezug zu Geschlechterbildern des Nationalsozialismus und der katholischen Kirche gesetzt. (Beitrag Verena Lorber). Dass Jägerstätters Verweigerung und Widerstand religionspädagogisch für das Vermitteln eines differenzierten Blicks auf das Verhältnis von Nationalsozialismus und katholischer Kirche sowie der Definition religiöser Identität heute bedeutsam sind, verdeutlicht der dritte Beitrag (Andreas Schmoller). Schließlich wird aus moraltheologischer Sicht der zentrale Begriff des „Gewissens“ bei Jägerstätter konturiert und auf seine pädagogische Anschlussfähigkeit analysiert (Beitrag von Thomas Schlager-Weidinger).

Thomas Schlager-Weidinger erklärte im Rahmen des Gesprächs den Aufbau des dritten Teils „Umsetzungen“. In diesem werden die theoretischen Grundlagen mit einer konkreten Didaktik verschränkt. Das Buch bietet hierzu fünf ausgearbeitete Vermittlungsvorschläge, in denen konkrete Arbeitsaufgaben inkludiert sind, die auch als Download online abgerufen werden können. Der erste Vermittlungsentwurf versteht sich dabei als Basismodul, in dem Grundlagen zu Jägerstätter erarbeitet werden. Darauf aufbauend kann aus einem Pool von vier spezifischen Vertiefungsmodulen gewählt werden. Diese beziehen sich thematisch jeweils auf ein Thema aus dem zweiten Teil. Dass die didaktischen Möglichkeiten damit nicht erschöpft sind, zeigt die abschließende Rubrik „Weiterführende didaktische Anregungen“. Dieser Ideenpool ist nach Methoden bzw. Medien geordnet und beinhaltet Anleitungen und praktische Tipps für die Arbeit mit der digitalen Edition, Filmen, bildnerischen Darstellungen, lyrischen Texten, neuen Medien und die Durchführung von Exkursionen zu Gedenkorten.

Abschließend antworteten die vier Autor*innen auf die Frage nach der persönlichen Beziehung zum Buchtitel. Die Metapher „Gegen den Strom“ ist zugleich ein Jägerstätter-Zitat, das an Aktualität nichts eingebüßt hat. Wenngleich wir uns immer vor Augen halten müssen, dass das „Nein“ Jägerstätters nicht vergleichbar ist mit dem verantwortungsvollen „Nein“ in liberalen demokratischen Gesellschaften, zu dem heute historisch-politische oder religionspädagogische Bildung beitragen will. Für Andreas Schmoller ist dabei die Erkenntnis zentral, dass eine Jägerstätter-Pädagogik nicht zu einer starren Anti-Haltung führt, sondern sich das verantwortete „Gegen den Strom“ im Sinne Jägerstätters aus (Selbst-)Reflexion, Gespräch (mit Mensch und Gott) sowie starken Beziehungen speist und daran wächst.

AS/VL

Gegen den Strom – Aber wie?
Grundlagen und Modelle einer Jägerstätter-Pädagogik
hrsg. von Maria Ecker-Angerer, Verena Lorber, Thomas Schlager-Weidinger und Andreas Schmoller
(Jägerstätter Studien Bd. 2), Studienverlag: Innsbruck 2024
198 Seiten, € 24,90
Verlagshomepage

v.l.n.r.: Andreas Schmoller, Verena Lorber, Anna Bachofner-Mayr, Maria Ecker-Angerer, Thomas Schlager-Weidinger. Foto: H. Eder

Die Buchpräsentation in der Bibliothek der KU Linz, Foto: H. Eder